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Die Schweizerische Physikalische Gesellschaft (SPG) ist die nationale Standesvertretung von Physikerinnen und Physikern aus Lehre, Unterricht, Forschung, Entwicklung und Industrie. Die Vielfalt moderner Physikforschung spiegelt sich in zehn Fachsektionen wider.

Bild: ESO

Arnold Sommerfeld

Michael Eckert
Arnold Sommerfeld
Atomphysiker und Kulturbote 1868-1951. Eine Biographie.
Wallstein Verlag Göttingen 2013

Arnold Sommerfeld

Es ist anzunehmen, dass den meisten Lesern unserer "SPG-Mitteilungen" die Person Sommerfelds und seine Verdienste für die heutige Physik geläufig sind, denn noch heute zählen seine "Vorlesungen über Theoretische Physik" zu den Skripten, die an Einsichttiefe und Eleganz kaum zu überbieten sind. Wenn wir Ihnen dennoch das Buch von Michael Eckert als aussergewöhnlich informativ zu lesen empfehlen, so liegt das am wenig bekannten Werdegang dieses grossen Physikers, der stark von einem Umfeld geprägt wurde, welches einen enormen politischen und gesellschaftlichen Wandel durchlief.

Sommerfeld begann seine Karriere um 1890 herum als enger Mitarbeiter des Mathematiknestors Felix Klein in Göttingen. Bei ihm konnte er sich das nötige Rüstzeug an Mathematik aneignen, das ihm zeit seines Lebens als Fundament seiner physikalischen Arbeiten diente. Diese Zeit prägte sein Selbstvertrauen, was er damals durchaus auch nötig hatte, denn in der ihn umgebenden, erstarrten Gesellschaft konnte ein Akademiker erst dann eine 'standesgemässe' Familie gründen, wenn er sich vom Privatdozenten zum Professor gemausert hatte! Also kämpfte Sommerfeld als nächstes um ein Ordinariat, egal wo auch immer, und kam an einer Provinzhochschule für Bergbauwesen unter. Nur sah er sich hier nach kurzer Zeit dermassen unterfordert, dass ein erneuter Wechsel zwingend war. Da bot sich ihm 1899 die Chance, als Ordinarius für Mechanik an die technische Hochschule in Aachen zu wechseln. Es ist amüsant zu lesen, welcher Kulturkampf diese heutzutage führende Hochschule erschütterte. So wollten Universitätsprofessoren wie Felix Klein den technischen Hochschulen die höhere Ingenieurausbildung aus der Hand nehmen, um sie modern, das heisst mathematisch auszurichten. Das provozierte wiederum die andere Seite, der in ihrer Hilflosigkeit nichts Besseres einfiel, als die Mathematik zum reinen Rechenhilfsmittel für Ingenieure herab zu stufen! Erst als Sommerfeld den Bauingenieuren zeigen konnte, dass Bauwerke nicht nur statisch, sondern mittels partieller Differentialgleichungssysteme auch dynamisch charakterisiert werden konnten, war das Eis gebrochen.

Dann 1906 der entscheidende Schritt, sein prestigeträchtiger Wechsel nach München als Ordinarius für theoretische Physik und Nachfolger Boltzmanns. Ab dann prägte ein Dreigestirn diese Blütezeit der theoretischen Physik: Einstein das Genie, Planck die Autorität und Sommerfeld der grosse Lehrer. In einem Brief an Planck bezeichnet Sommerfeld diesen als den Kollegen, "… der sorgsam urbar macht das neue Land, derweil ich hier und da ein Blumensträusschen fand." ¹

Nun ganz so klein kann das Blumensträusschen nicht gewesen sein, denn die Schar seiner Schüler ist Legion: man denke nur an Bethe, Debye, Epstein, Ewald, Heisenberg, Heitler, Landé, Lenz, Pauli, Pauling, Rabi und viele andere mehr, die unter Sommerfeld die Grundlagen der neuen Physik kennenlernten, die sie selber dann zu den mit ihren Namen verbundenen Höchstleistungen führten. Der Nationalsozialismus bedeutete das Ende dieses fruchtbaren Wirkens. Man berief als Nachfolger einen unfähigen Nationalsozialisten und beschimpfte Sommerfeld als "Hauptpropagandist jüdischer Theorien". Diese bittere Phase seines Lebens durchlitt Sommerfeld vorbildlich, ohne sich je der Pression zu beugen.

Michael Eckert greift in seinem Werk hauptsächlich auf Sommerfelds umfangreiche Wissenschafts-, aber auch Privatkorrespondenz zurück. Die Biografie ist somit nicht nur ein historischer Bericht, sondern eine fast authentische Schilderung Sommerfelds und somit äusserst spannend zu lesen.

Bernhard Braunecker

¹ Zitat aus: Armin Hermann 'Max Planck', Rowohlts Monographien, 1973, S. 55

[Veröffentlicht: Mai 2013]